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12. 03. 2011

WESTERWELLE-Interview für die "Saarbrücker Zeitung"

Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende und Bundesaußenminister DR. GUIDO
WESTERWELLE gab der "Saarbrücker Zeitung" (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten WERNER KOLHOFF und HAGEN STRAUß:

Frage: Herr Dr. Westerwelle, sind Sie nach dem Rückzug von Karl-Theodor zu Guttenberg jetzt wieder unangefochten der führende Außenpolitiker der Koalition?

WESTERWELLE: Das sind Konkurrenzgedanken, die niemandem helfen.

Frage: Bedauern Sie den Verlust von Herrn zu Guttenberg im Kabinett?

WESTERWELLE: Ich habe schon öffentlich erklärt, dass ich Herrn zu Guttenberg für seine Arbeit danke und ihm und seiner Familie persönlich für die Zukunft alles Gute wünsche.

Frage: Finden Sie auch, dass sein Comeback wünschenswert wäre?

WESTERWELLE: Wenn Sie ein Interview über die Personalplanung der Union führen möchten, müssen Sie bitte Horst Seehofer oder Angela Merkel fragen.

Frage: 2010 haben Sie selbst von einem holprigen Start der Koalition gesprochen. Wie soll man dann die ersten zwei Monate des Jahres 2011 nennen? Schotterpiste vielleicht?

WESTERWELLE: Die Regierung arbeitet spätestens seit Sommer letzten Jahres mit wachsendem Erfolg, wie man insbesondere auf dem Arbeitsmarkt erkennen kann. Man soll in der Demokratie nicht gleich jeden Meinungsunterschied und jeden Abstimmungsprozess als Streit skandalisieren.

Frage: Der Dioxin-Skandal, E10, der Rücktritt Guttenbergs, all das wirkt sich doch auf die laufenden Wahlkämpfen in den Ländern aus.

WESTERWELLE: Es stehen Landesregierungen und Landesparteien zur Abstimmung. In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz geht es darum, dass die FDP in der Regierungsverantwortung bleibt beziehungsweise wieder in sie hineinkommt. Das ist unser Wahlziel. In der Berliner Käseglocke wird unser klares Bekenntnis für die Mittelschicht und den Mittelstand oft als Klientelpolitik denunziert. Die Menschen aber erleben, dass diese Politik auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt Früchte trägt. So viele Arbeitsplätze wie jetzt gab es in Deutschland noch nie; die deutsche Entwicklung ist besser als irgendwo sonst in Europa. Das ist gut für alle. Die Bildungschancen steigen und die Renten übrigens auch wieder.

Frage: Sorgen Sie sich, dass die Union in Baden-Württemberg einen anderen Koalitionspartner wählen könnte als die FDP?

WESTERWELLE: In Baden-Württemberg geht es um eine klare Alternative. Entweder es gibt eine bürgerliche Mehrheit aus Union und FDP, oder es gibt eine Mehrheit aus SPD und Grünen, womöglich unter Zuhilfenahme der Linkspartei wie in Nordrhein-Westfalen. Letzteres werden sich die Baden-Württemberger nicht antun. Die Mehrheit will doch keine Dagegen-Republik, wo nichts mehr geht, kein Flughafen, keine Straße, keine Gen-Technik in der Medizin, kein Bahnhof und nicht mal mehr Olympische Spiele. Und wenn man an das Desaster der Union mit Schwarz-Grün in Hamburg denkt, dann dürften die letzten schwarz-grünen Romantiker geheilt sein.

Frage: Die Legislaturperiode ist noch lang. Welche großen Projekte hat die schwarz-gelbe Koalition im Bund noch vor?

WESTERWELLE: In der Innenpolitik geht es darum, die Konsolidierung der Staatsfinanzen weiter voranzutreiben. Wenn uns diese Politik neue Spielräume eröffnet und der Wirtschaftsaufschwung sich verstetigt, dann steht die Entlastung der mittleren und kleineren Einkommen wieder ganz oben auf der Tagesordnung. Außerdem haben wir angesichts der Globalisierung noch eine Menge zu tun, um die Bildungschancen der jungen Generation zu verbessern. Dazu gehört auch, dass der Politikwechsel in der Sozialpolitik fortgeführt wird. Bei der Hartz-IV-Reform konnte man ja deutlich erkennen, was unsere Priorität ist: Bildung, Bildung, Bildung.

Frage: Zur Außenpolitik: Was unterscheidet eigentlich die Lage im Kosovo 1999 von der gegenwärtigen in Libyen? Milosevic wurde wegen der ethnischen Vertreibungen von der Nato bombardiert, Gaddafi aber darf seine eigene Bevölkerung terrorisieren und nichts geschieht.

WESTERWELLE: Das trifft nicht zu. Wir haben international in sehr kurzer Zeit scharfe Sanktionen gegen den Diktator Gaddafi und seinen Clan beschlossen und auch national bereits umgesetzt. Die Geldströme, mit denen der Diktator seinen Krieg gegen das eigene Volk bezahlt, werden abgeschnitten. Maßnahmen, die darüber hinaus gehen, brauchen ein Mandat der Vereinten Nationen, und mindestens ebenso sehr brauchen sie eine regionale Abstimmung und Beteiligung der Arabischen Liga. Mir ist sehr wichtig, dass wir mit unseren Reaktionen nicht auf eine schiefe Ebene geraten und uns am Ende als dauerhafte Kriegspartei in einem Bürgerkrieg in Libyen wiederfinden.

Frage: Eine Flugverbotszone wäre eine solche schiefe Ebene?

WESTERWELLE: Jedenfalls ist sie mit erheblichen Risiken und Herausforderungen verbunden. Gaddafi verfügt über erhebliche Luftabwehrsysteme, die erst einmal militärisch ausgeschaltet werden müssten. Keinesfalls möchte ich, dass die Freiheitsbewegung, die mit der Jasmin-Revolution in Tunesien begann, von Autokraten oder Fundamentalisten unter dem Vorwand erstickt werden kann, es handele sich in Wirklichkeit um westlichen Imperialismus. Ich rate zu Klugheit, zu engster internationaler Abstimmung und vor allen Dingen zu dem Prinzip, bei jeder Entscheidung immer auch das mögliche Ende zu bedenken.

Frage: Ist der Vorschlag von Präsident Sarkozy, gezielte Luftschläge durchzuführen, klug?

WESTERWELLE: Natürlich, wenn man die Bilder der Menschen sieht, die dort unter dem Diktator leiden, dann verkrampft sich einem das Herz. Und dennoch muss man überlegt handeln. Man darf nicht das Gegenteil von dem riskieren, was man will - statt Frieden und Freiheit Krieg und neue Unterdrückung.

Frage: Bei ihrem Besuch auf dem Tahrir-Platz in Kairo wurden sie wie Westerwelle von Arabien gefeiert, in Deutschland aber bleibt ihnen der Zuspruch verwehrt. Wie erklären Sie sich das?

WESTERWELLE: Nicht ich bin in Kairo gefeiert worden, sondern Deutschland. Das Erlebnis dort auf dem Tahrir-Platz bleibt für mich unvergesslich, als Hunderte spontan riefen: Es lebe Ägypten, es lebe Deutschland. Vielleicht sollten wir Deutsche öfter auch mal einfach stolz sein auf unser eigenes Land.

Download der gesamten Pressemitteilung im PDF-Format:
fdk960311.doc (2011-03-12, 40.50 KB)


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